Bio – Betrieb
19. Februar 2019
Bio im Discounter setzt Landwirte unter Druck
Laut dem Agrar-Experten Dirk Gieschen droht marktfernen Familienbetrieben und kleineren Hofläden ein existenzgefährdender Preis- und Absatzeinbruch
Mit der Schlagzeile „Bio setzt sich durch“ wurde auf der Messe BioFach 2019 das weitere Wachstum der deutschen Biolandwirtschaft um sechs Prozent bei der Anzahl der Betriebe und um gut acht Prozent bei der bewirtschafteten Fläche gemeldet. Auf der Absatzseite wurden gleichzeitig die Listungserfolge von Bioland beim Discounter Lidl und von Demeter bei Kaufland als Durchbruch für die Bio-Branche gefeiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich Agrarberater Dirk Gieschen die Frage, ob sich der für die Bioverbände erfreuliche Absatzsprung und der dadurch zu erwartende Zuwachs an gesellschaftlicher Bedeutung bei den Verbrauchern auch für die kleineren und mittleren Biobetriebe tatsächlich positiv auswirken wird. Gieschen befürchtet das Gegenteil: Vor allem für die kleineren und eher marktfern in ländlichen Regionen wirtschaftenden Bio-Familienbetriebe wachse das Risiko, dass der vermeintliche Erfolg für sie zum existenzgefährdenden Boomerang werde.
Kostendruck erzeugt Rationalisierung
Die Discounter im Lebensmitteleinzelhandel teilten bereits mit, dass sie die Arbeit der Landwirte und Hersteller durch faire Preise honorieren wollen. Dirk Gieschen ist skeptisch gegenüber dieser Ankündigung: Bereits jetzt sei erkennbar, dass das Preisniveau für Bio-Produkte unter Druck geraten werde. Der bestehende deutliche Preisunterschied zwischen Bio-Produkten in Hofläden, Drogerien und im Bio-Fachhandel gegenüber den Angeboten der Discounter werde aufgrund der Wettbewerbssituation im Einzelhandel, so es wie bei allen anderen landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln in den vergangenen Jahrzehnten auch passiert ist, unter Druck geraten. Die Bio-Betriebe würden wie ihre konventionellen Kollegen zuvor diesem Preis- und Kostendruck nur durch Rationalisierung und Wachstum ausweichen können. Es drohe in der Folge ein harter Strukturwandel, so Agrarexperte Dirk Gieschen.
Weniger Druck für stadtnahe Bio-Betriebe
Für Bio-Landwirte, die mit attraktiven Hofläden in Stadtnähe kaufkräftige Verbraucher auf einem höheren Preisniveau an sich binden könnten, werde der Druck nicht so hoch sein wie für marktfernere Kollegen. Agrarberater Gieschen erwartet, dass vor allem in ländlichen Regionen, in denen kaufkräftige Bio-Zielgruppen dünn gesät sind, der direkte Preiswettbewerb mit dem Lidl vor Ort nicht nur zu einem sinkenden Preisniveau, sondern auch zu deutlichen Verlusten an Kunden und Umsätzen führen wird. Hätten die Verbände auf dieses Problem keine Antwort, könnten diese Bio-Betriebe nur durch eine drastische Mengen-und Effizienz-Steigerung überleben.
Strukturwandel durch Verkauf von Bio-Produkten im Discounter?
Damit komme den Bio-Verbänden ebenso wie den Discountern jetzt eine große Verantwortung zu, wenn Sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen wollen, dass sie mit dem Schritt in die Massenvermarktung vormals exklusiver Bio-Produkte genau den Strukturwandel in der Bio-Landwirtschaft auslösen, dem Landwirte mit der Umstellung auf Bio eigentlich ausweichen wollten – den Trend zum „Großbetrieb“ mit entsprechenden Produktionsmethoden. Das würde schwierig werden, erwartet Agrarberater Dirk Gieschen. Deshalb könne man derzeit nur das Fazit ziehen, dass der Schritt in den Discounter für die bäuerlich strukturierten Bio-Familienbetriebe ein gefährlicher Boomerang werde.
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